Feature-Mo< Zurück 19.04.2009
Von Nick Gruber
Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson - so der Titel der Dokumentation über einen Journalisten, den es in der Art in Europa wohl nie gegeben hätte. Einzelne Brocken seines Werks haben es bis hier rüber geschafft - z.B. Fear and Loathing in Las Vegas mit Johnny Depp. Selbiger führt das Publikum auch durch die Doku.
Nicht viele Menschen können von sich behaupten, einen dauerhaften Abdruck auf ihre Profession hinterlassen zu haben. Jan Boklöv hat den V-Stil im Springen eingeführt. Boris Becker hechtete nach Filzbällen rund um die Welt, ehe man schließlich von der Becker-Rolle gesprochen hat. Hunter S. Thompson steht eben für 'Gonzo', einen journalistischen Stil, der ehrlich genug ist, den Verfasser als offensichtlichen Teil des Werks mitzutransportieren aber gleichzeitig auch aussagt, dass man nicht alles glauben sollte wenn der Autor sich konsequent mit Drogen umnietet - und Hunter S. Thompson war in der Hinsicht superkonsequent.
"The Edge. There is no honest way to explain it. Because the only people who know where it is, are the ones who have gone over."
Hunter S. Thompson
Doku-Größe Alex Gibney (No End in Sight, Taxi to the Dark Side, Enron, Who killed the Electric Car?) nahm das Leben dieses Ausnahmemenschen als Thema für eine Reise durch die letzten 40 Jahre amerikanischer Geschichte - untermalt mit Textauszügen, gelesen von Johnny Depp. Letzerer spielte auch die Hauptrolle in Thompsons bislang einziger Romanverfilmung (Fear and Loathing in Las Vegas), wo er ein optisches und akustisches Ebenbild des exzentrischen Raubeins wurde.
Denn Thompson lebte die Geschichten, die er schrieb. In den USA wurde er Ende der 60er wirklich bekannt, nachdem er sich zu einem Motorrad-Gangster umwidmen ließ und dann über seine Zeit mit den 'Hell's Angels' schrieb. Es folgten legendär ehrliche Berichte im damals noch neuen Rolling Stone Magazine. 1970 ließ er sich in Aspen, Colorado nieder und wollte sich zum Sheriff wählen lassen - u.a. mit den Forderungen Drogen zu legalisieren, die Umwandlung der Straßen in Radwege durchzuziehen und Aspen in "Fat City" umzubenennen. Das war den Leuten damals wohl ein wenig zu progressiv...
Hunter Thompson war ein großer Widerspruch: Er liebte die Freiheit, und doch war er ein Demokrat mit Hang zur Gerechtigkeit. Er zog 1972 mit George McGoverns Wahlkampf-Entourage durch die Lande. Der demokratische Präsidentschaftskandidat war bekennender Friedensaktivist, doch Hunter liebte Feuerwaffen mehr als alles andere. Als seine erste Ehe endgültig in die Brüche ging, rief seine Frau den örtlichen Sheriff (an sich ein Freund des Hauses), der dann die naiv-obligatorische Frage stellte, ob Hunter eigentlich Waffen zu Hause hätte. Die Antwort seiner Frau? "Ja, 22 davon, und jede einzelne ist geladen!". Geladen war auch meistens sein Gemüt und seine Fantasie - z.B. schrieb er Ed Muskie, McGoverns Gegenkandiat, Erfahrungen mit der Droge "Ibogaine" zu - später gab er zu, dass er sich das eingebildet hatte:
"People really believed that Muskie was eating Ibogaine. I never said he was. I said there was a rumor in Milwaukee that he did - which is true, because I spread that rumor!"
Die Drogenexkapaden hinterließen natürlich zeitenweise ein menschliches Wrack. Thompsons Wut über die Republikaner war schon unter Nixons Regierung an seine eigene Schmerzgrenze gelangt. Nach dem 11. September und den Bush-Eskapaden sah er den richtigen Moment gekommen, seinem Sein einen würdigen Abgang zu verschaffen. Er nahm sich am 20. Februar 2005 mit einem Kopfschuss das Leben.
Ganz nach seinem Willen wurde auf seiner Farm nahe Aspen ein ca. 50 Meter hohes Monument errichtet - ein Turm mit einer roten Gonzo-Faust (zwei nach innen gewandte Daumen umfassen einen Peyote-Kaktus). Seine Asche wurde durch die integrierte Kanone in die Luft geschossen - am roten Knopf saß damals Johnny Depp, der den Turm auch mitfinanzierte.
Die zweite Romanverfilmung, The Rum Diary, wieder mit Johnny Depp, soll 2010 fertig sein.
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Filme gehören besprochen. Kinomo! Du fängst an!